FAQ

Bei unseren Vorträgen und Ausbildungsveranstaltungen begegnen uns immer wieder ähnliche Fragen. Hier einige unserer Antworten dazu.

Wann spricht man von einer "großen Gruppe"?

Diese Frage stellt sich vor allem dann, wenn interaktive Arbeit erwünscht und die dafür passenden Methoden gefragt sind. Bei "Musik-von-vorne" Veranstaltungen ist die Größenordnung weniger relevant. In der Sozialpsychologie wird allgemein davon ausgegangen, dass die "Face-to-face" - Gruppe etwa bei 12 Menschen endet, eine Größenordnung, wo alle Personen noch leicht unmittelbar und direkt miteinander kommunizieren können. Die Praxis mit Gruppenarbeit zeigt, dass etwa ab 14-18 Personen ein schleichender Übergang stattfindet: Es fällt bereits schwer, alle Menschen im Blick zu halten. Die mittelgroßen Gruppen reichen etwa von 15 30 Personen, um arbeitsfähig zu sein brauchen sie bereit klare Unterstrukturierungen. Ab 30 - 40 Personen spricht man von Großgruppen. Die Praxis der Großgruppenarbeit zeigt wieder Qualitätssprünge: Bis etwa 150 Teilnehmer macht die Teilnehmerzahl für die Konzeption und Durchführung wenig Unterschied, von 150 400 Teilnehmern b­raucht es bereits deutliche Adaptionen in Design und Logistik, ab etwa 400 Teilnehmern, die "Clangrenze", entsteht spürbar eine neue Qualität mit stark reduzierten Möglichkeiten des Austausches aller.

Was unterscheidet Großgruppenarbeit von Großveranstaltungen à la Höller und Struntz?

Alles, außer der Anzahl der Menschen, die versammelt sind. Jenseits der Inhalte: die Gurus des "Motivationstrainings" arbeiten in Großrodeos gezielt mit massenpsychologischen Phänomenen und Instrumenten. Die Interventionen sind an Einzelpersonen adressiert (auch wenn diese in großer Zahl im Saal sind) und nicht an Systeme. Die darstellerische Intention streut zwischen Aufklärung, Belehrung und Unterhaltung. Die Show lebt von der charismatischen Kraft der Stars und der Folgebereitschaft der Masse. Einwegkommunikation im ursprünglichen Sinn des Wortes. Eine ehrenwerte Modeerscheinung, deren Bedeutung aber in der letzten Zeit stark im Abnehmen begriffen ist. ­­­­­­­­­

Finden wirklich so große Veranstaltungen statt, wie immer gesagt wird?

Eine Untersuchung der Phillips Universität in Marburg unter Großgruppenmoderatoren im Stichjahr 10/1999 bis 10/2001 zeigt ein interessantes Bild: Es sind in diesem Zeitraum im deutschsprachigen Raum ungefähr 500 Veranstaltungen dokumentiert, mit einer Dunkelziffer, die schwer einzuschätzen ist. Das Gros der Veranstaltungen (etwa 50%) bringt ca. 50 Teilnehmer in den Saal. 200 und mehr Teilnehmer bei einer Veranstaltung sind eher selten (rund 10%), die größten Veranstaltungen hatten aber immerhin über 1000 Teilnehmer. Die größte Veranstaltung bei der ich persönlich teilgenommen habe, war ein Open Space im Jahr 2002 mit etwa 2000 TeilnehmerInnen in Würzburg, den Harrison Owen moderierte (Eine Bildergeschichte dazu gibt es unter "Ressourcen"). Die ganz großen Meetings mit tausenden Teilnehmern, von denen aus Amerika immer wieder berichtet wird, werden aber offenbar in Europa nur in Ausnahmefällen durchgeführt. ­­­­­­­­­

Bei welchen Anlässen werden Großgruppenverfahren eingesetzt?

Die schon genannte Untersuchung zeigt vier Hauptanwendungsgebiete, die nicht sehr überraschend sind, weil sie gut zu den Stärken dieser Methoden passen. Zukunft, Vision, Strategie (mit großem Vorsprung) Veränderungsprozesse Bei Tagungen (vor allem Open Space) Kommunikation, Zusammenarbeit, Führung Dieses Ergebnis deckt sich auch weitgehend mit den Anfragen die an uns gerichtet werden.

Welche Großgruppenverfahren werden in der Praxis wirklich eingesetzt?

Die Studie sagt aus: Der Renner im deutschsprachigen Raum im Untersuchungszeitraum war Open Space (rund 40%) der Veranstaltungen, dahinter Zukunftskonferenzen (ca. 25%), "gemischte Verfahren" und RTSC (13 bzw. 11%). Der deutschsprachige Klassiker "Zukunftswerkstatt" von Robert Jungk bringt es immerhin auf rund 5% der Anwendungen. Speziell Open Space wird aber, wie sich aus den Erfahrungsberichten der internationalen Open Space Liste im Internet zeigt, oft auch in mittelgroßen Gruppen mit 30/40 Teilnehmern eingesetzt. ­­­­­­­­­

Gibt es nicht bewährte Alternativen der Mitarbeiterbeteiligung, die weniger Staub aufwirbeln als eine große Veranstaltung?

In vielen Fällen ist "Staub aufwirbeln" ein gewünschter Effekt. Abgesehen davon: worin bestehen die Alternativen (sofern man es überhaupt darauf anlegt, Menschen in irgendeiner Art zu involvieren)?:
  1. Information Top-Down: Die Wirkung einer Kommunikationskette à la Stille Post hat Tucholsky schon in den 20er Jahren mit seiner legendären "Sonnenfinsternis" drastisch dargestellt. Jenseits davon ist von systemischen Wirkungen durch Partikular- und Eigeninteressen entlang der Linie auszugehen. Mobilisierungsfaktor gegen Null gehend. Hauptvorteil: Müsste durch die Regelkommunikation im System ohne besonderen Zusatzaufwand machbar sein
  2. Flächige Informationsveranstaltungen Hierarchen werden sichtbar, Information aus erster Hand "(Der Berg kommt zum Propheten"). Spart Zeit und Reisekosten der Teilnehmer, wenn die Hierarchen als Roadshow durch die Lande ziehen. Meistens als Präsentation organisiert, Einwegkommunikation mit wenig Dialog und Beteiligung. Besser als nichts ist es allemal.
  3. Informationsaustausch über Emails bzw. Intranet Einfach und billig. Die Grenzen sind die Grenzen des Mediums: Flüchtig, kühl, sachlich. Völlig ungeeignet um Bedeutung und Emotion zu verleihen, einen Prozess zu starten oder das ganze System einzubinden. Vorzüglich um in einem begonnenen Prozess auch disloziiert in Arbeitsgruppen weiterzuarbeiten.
  4. Mitarbeiterbefragungen Sind ein wichtiges Instrument, um flächig den inneren Status einer Organisation zu erheben. Ohne subtile Auswertungsinstrumente bleiben die Ergebnisse leider oft oberflächlich. Crossverfahren und Clusteranalysen brauchen aber wiederum exakte Sozialdaten und hier beißt es sich dann oft mit der Anonymität. Die Erwartungen, die bei den Mitarbeitern geweckt werden, können oft auch bei gutem Willen nicht eingelöst werden, weil nicht klar genug wird was genau und wo genau zu verändern wäre.
  5. Flächige Beteiligung von Mitarbeitern durch sukzessive Workshops Dialogisch, aber sehr aufwändig. Isolationistisch, weil die Perspektiven, Interessen und Ergebnisse der anderen Gruppen nicht sichtbar werden. Gruppenkonsense wecken Erwartungen, die im System nicht erfüllbar sind. Der Prozess der Verdichtung bleibt oft intransparent, und bringt Enttäuschung der Workshopteilnehmer mit sich ("Warum fragen sie uns, wenn sie es dann erst nicht machen"). Am besten zur gezielten Umsetzungsarbeit von vorher commitierten Ergebnissen vor Ort geeignet.
  6. Projektmanagement und Projektarbeit Projektmanagement ist für die Erledigung übergreifender Aufgaben unerlässlich. Eine oder mehrere kleine Gruppen arbeiten konzentriert an Lösungen. die dann der Entscheidung und Umsetzung zugeführt werden. Projektarbeit kann in seiner Wirkung deutlich verbessert werden: Eine Großveranstaltung voran für die groben Linien und das Commitment, anschließend Projektgruppen für die Details. Oder aber Projektarbeit zuerst und anschließend eine Veranstaltung als Feedbackbogen zur Verfeinerung der Ergebnisse und zur Erhöhung der Umsetzungsenergie
  7. Externe Beratergruppen arbeiten lassen: Hier stehen wir vor dem alten Beraterdilemma: Gute Lösungen versus Akzeptanz der Lösung. Umsetzungsvorschläge von außen werden vom Topmanagement oft mehr goutiert als von den Mitarbeitern, dementsprechend ist das Engagement der Menschen oft schleppend und hinhaltend. Viele gute Ideen haben den langen Marsch durch die Ebene nicht überstanden.
Fazit: Viele der Instrumente sind äußerst wertvoll, vor allem in der Kombination miteinander. Die spezifischen Möglichkeiten der Großgruppenarbeit könne sie aber nicht ersetzen. ­­­­­­­­­

Wer gibt Großveranstaltungen in Auftrag?

Den größten Anteil hat, wieder ein Ergebnis der Studie - der Non-Profit-Bereich der Bildungseinrichtungen, Schulen und Stiftungen ­ allerdings dicht gefolgt von Großunternehmen, sowie Verbänden, Genossenschaften und Kammern und klein- und mittelständischen Unternehmen. Knapp darauf die Verwaltung auf Landes- und kommunaler Ebene. Man kann also von einer ziemlichen Gleichverteilung der Anwendungen in den verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren ausgehen. ­­­­­­­­­

Die Veranstaltungen sind ja gut und schön. Aber wie schaut es mit der Umsetzung der Ergebnisse aus?

Die Kardinalsfrage jeder Beratungsarbeit lautet "Wer ist für den Transfer zuständig?" Die Pioniere der Großgruppenarbeit, allen voran Harrison Owen, der Erfinder von Open Space, sind dabei ziemlich dezidiert. Was nicht von der Leidenschaft und Verantwortung der Teilnehmer getragen ist, wird auch nicht realisiert, daher: "Let it all go". In unseren Breiten scheint das nicht so recht hinzuhauen. Diese kulturspezifische Differenz wäre eine vergleichende Studie wert. Meiner Beobachtung nach gab es im deutschsprachigen Raum schon etliche desillusionierte Auftraggeber und Teilnehmer von Konferenzen, denen nach motivierenden Veranstaltungen die greifbar scheinenden Ergebnisse zwischen den Fingern zerronnen sind. Im allgemeinen empfiehlt es sich daher, schon vor der Veranstaltung entsprechende Strukturen der weiteren Umsetzungsarbeit zu vereinbaren und dieses Prozedere bei der Veranstaltung auch anzukündigen. ­­­­­­­­­

Ist eine Großgruppenveranstaltung nicht eine teure Angelegenheit?

Wie man's nimmt: Kann man es sich leisten einfach weiterzuwursteln? Diese Kosten würden allerdings auf keiner Kostenstelle direkt aufscheinen, sondern nur unterm Strich. Ein Rechenexempel: Um 1000 Menschen in 50 Workshops zu 2 Tagen mit je 20 Teilnehmern zu integrieren, braucht es 200 Moderatorentage + Konzeptions- und Abstimmungszeit und günstigstenfalls 3 Monate für die Durchführung. Um 1000 Menschen in 3 Konferenzen zu 2 Tagen à 300 Teilnehmern + 1 Summarykonferenz zu 2 Tagen mit 200 Teilnehmern zu integrieren, braucht es 20 Moderatorentage + Konzeptions- und Abstimmungszeit und 3 Wochen für die Durchführung. Die Abwesenheits-, Reise- und Aufenthaltskosten sind annähernd gleich. Das nur zu den Kosten. Die speziellen Effekte, die nur durch Großveranstaltungen zu erreichen sind, besprechen wir an anderer Stelle. Generell: Je mehr eine Konferenz in einen umfassenden Veränderungsprozess eingebaut ist, desto besser rechnet sie sich. ­­­­­­­­­

Muss die Gruppe immer "groß" sein, um Großgruppenmethoden einzusetzen?

Im Prinzip nicht. Der kleinste (im Internet) dokumentierte Open Space hatte 1(!!) Teilnehmer und einige "Schmetterlinge". In der Praxis braucht es aber eine gewisse "Eigenkomplexität" um die Stärken der Verfahren entfalten zu können. Open Space ist üblicherweise bei mittelgroßen Gruppen interessanter als mit kleinen. Methoden die "das ganze System in einen Raum holen" arbeiten mit "Anspruchsgruppen" (und nicht mit Delegierten) und benötigen schon von daher eine gewisse Größenordnung. Letztlich hängt es von der Größe des abzubildenden Systems und den Workshopzielen ab, welche Vorgehensweise man auswählt. Speziell bei Anwendungen in Projekten lassen sich mit Großgruppenmethoden auch in kleineren Workshopsettings mit 20 - 30 TeilnehmerInnen exzellente Ergebnisse erzielen. ­­­­­­­­­

Kann man eine Großveranstaltung auch von Internen moderieren lassen?

Im Prinzip ja, sofern die internen BeraterInnen über das entsprechende Knowhow verfügen. Es gibt aber zwei Fallstricke, die für Interne schwer zu überwinden sind:
1. Externe sind bei Meinungsverschiedenheiten mit Auftraggebern oft durchsetzungsfähiger (vor allem, wenn es um Ressourcen oder die Rolle der Auftraggeber bei der Konferenz geht), weil sie nicht weisungsgebunden sind. Propheten im eigenen Land tun sich häufig schwer.
2. Wenn gravierende Veränderungsprozesse angestrebt sind, geht das häufig mit heftigen Emotionen der TeilnehmerInnen einher. Für Interne ist es bedeutend schwieriger sich innerlich abzugrenzen, bzw. die Vielfalt der Perspektiven offen zuhalten. Sie werden ­ bei aller inneren Neutralität ­ auch leichter als parteilich eingeschätzt. Bei einer größeren Veranstaltung ist die beste Lösung: Je ein internes und externes Beraterpaar. Es gibt genug zu tun. ­­­­­­­­­

Müssen Großveranstaltungen immer so lange dauern?

Viele Leute auf einem Fleck sagt tatsächlich noch nichts über die Dauer aus. Letztendlich ist es wie immer eine Frage der Ziele: Ein Vortrag mit ein wenig Alibidiskussion braucht lässt sich schnell abwickeln. Einen emotional und inhaltlichen gehaltvollen Kommunikationsprozess mit vielen Menschen in Gang zu bringen braucht dagegen seine Zeit. Auch wenn es möglich wäre schneller zu sprechen, brauchen die TeilnehmerInnen psychische Verarbeitung. Veranstaltungen bei denen der Prozess über eine Nacht geht, sind daher reinen Tagesevents weit überlegen. Tagesveranstaltungen stehen meist unter großem Zeitdruck: was "von vorne" gesagt oder präsentiert werden muss, nimmt dann oft viel Raum ein, sodass die TeilnehmerInnen leicht in eine passivierte Rolle geraten. Ich selbst und auch andere KollegInnen haben immer wieder unter Auftraggeberdruck versucht mit Straffungen, Abkürzungen und anderen Formen der Verdichtung Zeit zu sparen. Der Qualitätsverlust der dadurch entsteht, kann sich enorm auswirken. Unserer Erfahrung nach bringt die klassische Form - zwei bis zweieinhalb Tage, verteilt auf drei Tage - die besten Ergebnisse. Quickies machen dann Sinn, wenn sie in einen längeren Prozess eingebaut sind, sie also einer Erstinformation, dem Follow up, der Vertiefung oder einer Weiterführung dienen ­­­­­­­­­

Gibt es Spezialisten für Großgruppenarbeit?

Eindeutig: Nur 9 (17%) der 52 in der Befragung einbezogenen Berater haben mehr als 5 Veranstaltungen im Befragungszeitraum moderiert, sie decken dabei aber 60% der durchgeführten Veranstaltungen ab. Die meisten Berater, etwa 60%, moderieren nur ab und an eine Veranstaltung. TRANSFORMATION hat seit 10/99 mehr als 50 Veranstaltungen konzipiert und moderiert.

Welches Verfahren eignet sich wofür?

Diese Frage lässt sich in kurzen Worten nicht beantworten. Weiter zu Methoden ­­­­­­­­­­ ­­­­