Grundlegende Prinzipien der Großgruppenarbeit

Es gibt eine große Zahl von Verfahren für die Arbeit mit großen Gruppen, die praktisch erprobt sind. Die hier vorgestellten Verfahren verstehen sich als Lernlaboratorien für soziales Lernen und als Verfahren für Wissensgenerierung. Alle Verfahren sind an Komplexität, der irritierenden und lernanregenden Erfahrung und an Wandel orientiert.

In all ihrer Unterschiedlichkeit stützen sie sich auf drei Prinzipien:

  • Das ganze System in einen Raum bringen
  • Gemeinsam an der Verbesserung des Systems arbeiten 
  • Selbstverantwortlichkeit und Selbststeuerung

Das ganze System in einen Raum bringen:

Großgruppenverfahren sind niemals Selbstzweck, sondern immer als ein Instrument zu verstehen, um in einem komplexen System einen Beitrag zur Veränderung zu leisten. Also einer Vielzahl von betroffenen Menschen und Subsystemen (Anspruchsgruppen) die Beteiligung an diesem Veränderungsprozess zu ermöglichen. Marvin Weisbord, der Pionier der "Zukunftskonferenz" nennt das: "Das ganze System in einen Raum bringen", um den Menschen (nach einer indischen Parabel) "den ganzen Elefanten sichtbar zu machen".

Die Grundfrage lautet: Worin besteht "das ganze System" konkret? Oder anders gefragt: Welche Anspruchsgruppen haben ein Interesse, beispielsweise an einer Schule. Im Falle einer Schulentwicklung gehören zum "System" sicherlich nicht nur Lehrer und Schüler, sondern auch die Eltern, die Adressaten der Dienstleistung "Lernen" in Form der nächst höheren Schulen, der künftigen Arbeitgeber (Lehrherren) oder auf wen sonst die Absolventen der Schule treffen. Zum System gehören sicherlich auch die Schulverwaltung und möglicherweise die Anrainer der Schule.

Ganz allgemein ist bei einer Definition der betroffenen Anspruchsgruppen davon auszugehen, dass bei einigen Anspruchsgruppen bereits Interesse, Problembewusstsein, Engagement, Betroffenheit oder Leidensdruck besteht. Andere mögen sich nicht betroffen fühlen und sind froh, wenn sie die Auseinandersetzung delegieren können. Die Aufgabe besteht also darin, eine Gesamtschau der Situation zu ermöglichen, "den ganzen Elefanten" sichtbar zu machen, also alle Perspektiven angemessen einzubeziehen.

Gemeinsam an der Verbesserung des Systems arbeiten:

Großgruppenverfahren folgen einem partizipativen Ansatz. Das ist nicht als Basisdemokratie misszuverstehen, sondern als Ergänzung zu autokratischen, bürokratischen oder technokratischen Formen der Problemlösung oder Entscheidungsfindung. Die Verfahren beinhalten in der Regel keine Entscheidungsbefugnis, Partizipation hat hier aber mindestens einen konsultativen Status. Eine angemessene Form der Beteiligung der Betroffenen erhöht in aller Regel nicht nur die Qualität der gefundenen Lösungen, sondern erhöht auch die Akzeptanz der Entscheidung. Die Schwierigkeit, der sich Manager oft gegenüber sehen, zwischen der "besten Lösung" und der "akzeptierten Lösung" zu entscheiden, kann sich so in vielen Fällen wundersam auflösen.

Selbstverantwortlichkeit und Selbststeuerung:

Die unterschiedlichen Großgruppenverfahren unterscheiden sich darin, wie viel Rahmenstruktur und inhaltliche Ausrichtung sie den Teilnehmern vorgeben. Sie gleichen sich aber darin, dass sie innerhalb dieses Rahmens den Teilnehmern die Verantwortung für die Ausarbeitung der Inhalte weitgehend selbst überlassen. Zur Arbeitserleichterung werden den Teilnehmergruppen in der Regel Selbst-Strukturierungshilfen und Visualisierungsmedien zur Verfügung gestellt.

Das mag für den unvoreingenommenen Betrachter ungewöhnlich, vielleicht sogar unmöglich erscheinen. In der Praxis speist sich aber gerade aus dieser Quelle das Engagement und die ungewöhnliche Energie, die bei Großgruppenarbeit zu beobachten ist.

Eine wichtige Konsequenz daraus: es ist mit Großgruppenarbeit weder möglich noch erwünscht, ein vorher genau spezifiziertes Ergebnis zu erzielen oder herbeizumoderieren. Inhaltliche Offenheit ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg. ­